Die Sozialpädagogin Irmela Gierster hat sich in den Ruhestand verabschiedet.
Im Herbst 1997 begann ich meine Tätigkeit als Sozialpädagogin mit 20 Stunden auf der Kinderkrebsstation 24d im Schwabinger Krankenhaus. Martin Gerisch, Sozialpädagoge, und Lisa Stritzl-Gorezcko, Erzieherin, waren meine ersten Kollegen. Gemeinsam versuchten wir, Eltern und Kinder aufzufangen und zu begleiten. Unterstützung hatten wir durch den evangelischen Seelsorger Martin Fisch und Uta Maaß, die als Besuchsdienst zweimal die Woche abends mit den Kindern spielte. Wir hatten viel Zeit für die Familien – so jedenfalls in meiner Erinnerung –, konnten da sein und zuhören. Im Tagesraum haben wir mit den Kindern gemeinsam gespielt und gebastelt. Auch große Feste wurden gefeiert, wie Fasching, Nikolaus, wunderbare Sommerfeste oder das jüdische Ostermahl. Und natürlich fand schon damals einmal in der Woche das Breznfrühstück statt. Ausländische Patienten gab es noch sehr wenig, und wir konnten sie meist voll in das Stationsleben integrieren. Unsere sozialrechtlichen Anträge schrieben wir auf der Schreibmaschine – mit Durchschlag!
Was haben wir für tolle, verrückte Sachen gemacht
So hat Lisa Stritzl-Goreczko mit der Unterstützung des Unternehmens Disney eine Fahrt ins Disneyland Paris organisiert. Mit Kindern und Eltern, Schwestern, Psychotherapeutin und einem Arzt verbrachten wir zwei wunderbare Tage! Viel Unterstützung erhielten wir von den Ärzten und dem Pflegepersonal. Nach und nach wuchs die Vielfalt der psychosozialen Tätigkeiten, so konnten wir dank der ‚Elterninitiative Krebskranke Kinder München e. V.‘ einmal in der Woche Musik- und später auch Kunsttherapie anbieten. Eine neue Kollegin, Barbara Dukatz, kam dazu und schließlich finanzierte die Elterninitiative auch eine Psychologin.
Ab 2008 erweiterte Sozialpädagogin Simone Kreutmeier unser Team, und seit einigen Jahren finanziert die Initiative noch eine zweite Psychologenstelle, denn die Patientenzahl nahm zu, und die Therapien wurden aufwändiger und länger. Mit der Gründung von KONA und ihrem Angebot JuZu konnten wir die notwendige psychosoziale Nachsorge und Betreuung der verwaisten Eltern Zug um Zug abgeben.
Ein freundliches Wort und einfach da sein
Die ausländischen Selbstzahler wurden mehr, und auch die Flüchtlingsfamilien und Jugendlichen veränderten vor allem in den letzten Jahren unsere Arbeit. Aufgrund der Sprachbarriere konnten wir die vielen ausländischen Patienten nicht mehr so psychosozial begleiten, wie es notwendig gewesen wäre. Das hatte für mich einen bitteren Beigeschmack, da wir oft die Ängste, das Unverständnis gegenüber medizinischen Maßnahmen, die Trauer und das Gefühl des Fremdseins nicht auffangen konnten. So reduzierte sich die Betreuung auf die praktische Unterstützung, ein freundliches Wort, Dasein und nonverbale Anteilnahme. Leider wurden auch die Verwaltungstätigkeiten immer mehr und mehr, die notwendige Dokumentation nahm aufgrund der vielen Patienten mit unterschiedlichem familiären oder kulturellen Hintergrund deutlich zu. Umso wichtiger wurde der interdisziplinäre Austausch. Nur gemeinsam konnten wir den Patienten und Familien durch schwierige Zeiten helfen.
Mir hat die Arbeit von Anfang an viel Freude gemacht. Immer habe ich gern mit den Kindern und Jugendlichen gespielt und Spaß gemacht. Zufrieden war ich auch, wenn wir Probleme in den Familien gut lösen konnten. Oder wenn ich Eltern helfen konnte, die medizinisch notwendigen Behandlungen zu verstehen und anzunehmen. Es gab aber auch viele sehr, sehr schwere Stunden und Tage mit Schrecken und Traurigkeit. In dieser Zeit nah bei den Eltern zu sein, sie zu begleiten und ihnen wenigstens ein paar organisatorische Dinge abzunehmen, hat mich viel Kraft gekostet. Ohne das Team und meine Familie hätte ich diese schweren Zeiten nicht durchstehen können. Unser psychosoziales Team war für mich immer eine Kraftquelle. Hier hörte immer einer zu, half einer aus, konnte man traurig sein, aber auch sehr viel lachen. Auch von den Eltern und Kindern habe ich viel an Kraft und Zuversicht zurückerhalten. Immer empfand ich große Hochachtung gegenüber dem, was diese Familien leisten, wie sie ihren Weg gehen und das Schicksal meistern.
In meiner Erinnerung bleibt das gute Gefühl, diesen Kindern, Jugendlichen und Eltern ein Stück unterstützend zur Seite gestanden zu sein in einer schwierigen Zeit. Aber es bleibt auch das dankbare Gefühl, die „Wärme des Lebens“ spüren zu dürfen, wenn trotz aller Schwere die Fröhlichkeit, das Lachen, die Freude immer wieder sichtbar und spürbar wurde.