Musiktherapie für krebskranke Kinder

Ressourcen stärken

Kinder auf der onkologischen Station brauchen alle Kraft, die Krankheit zu besiegen.
Musik und das Musikmachen hilft ihnen dabei, die Widerstandskraft und das Selbstvertrauen zu stärken und Momente der Unbeschwertheit zu erleben.

Musik ist für mich in allen Lebensbereichen ein vertrauter Begleiter und ich bin sehr froh, dieses Medium für mich zur Verfügung zu haben. Seit März 2006 arbeite ich einmal wöchentlich als Musiktherapeut in der Schwabinger Kinderonkologie. Neben meiner zwölfjährigen Tätigkeit als Musiktherapeut auf der Palliativstation München-Harlaching, meiner Arbeit als Heilpraktiker für Psychotherapie im Jazz-Projekt und Fachsbereichsleiter und Dozent im Freien Musikzentrum in München spiele ich in der Freizeit in einer Jazz-Band und kann so mit dem Saxofon meinen Gefühlen freien Lauf lassen. Richard Löhr (Musiktherapeut und Heilpraktiker für Psychotherapie)

Der Stimmung Ausdruck geben

Dies ist das besondere an dem nonverbalen Kommunikationsmedium Musik, als Sprache der Gefühle, in der man sich unmittelbar kreativ ausdrücken kann und das Gegenüber einen hören, spüren und verstehen kann.

Mit der Diagnose Krebs geraten der junge Patient und seine Familie in eine schwere Lebenskrise. Durch die Musiktherapie auf der nicht sprachlichen Ebene können die unterschiedlichsten Stimmungen wie Angst, Wut und Traurigkeit, aber auch Freude erlebt und zum Ausdruck gebracht werden.
Es ist für die Kinder oft eine willkommene Ablenkung, wenn ich mit meinem Instrumentenwagen auf Station komme. Sie sind neugierig, was ich wohl alles dabei habe. Ich fühle mich manchmal wie ein „Lokomotivführer“ mit seiner Zugmaschine. Die große Steeldrum sieht wie der Dampfkessel aus und die Djembe, die afrikanische Trommel, wie der Schlot, aus dem der Dampf entweicht.

Dampf ablassen

Es ist immer sehr befreiend für die Kinder, diese positive Erfahrung mit sich und ihren Gefühlen zu machen, mal „Dampf ablassen zu können“, so richtig „drauf zu hauen“, ohne das etwas kaputt geht, ohne Angst, es nicht zu dürfen.

Wir lachen viel miteinander, vor allem wenn ich auf dem Didgeridoo den „Elefantenpups“ spiele, dank Zirkularatmung, den wahrscheinlich längsten Pups, den sie je gehört haben. Mit der Oceandrum können wir uns dann in unserer Vorstellung ans Meer begeben und bei dieser Klangreise positive Gefühle und Bilder erleben. Die Kinder können sich an schöne Erlebnisse z.B. an einen Urlaub erinnern oder sich während einer Traumreise in ihrer Phantasie Wünsche erfüllen. Mit der Steeldrum aus Jamaika spielen wir dann auch oft zu mehreren, können eine „Suppe“ kochen (mit kleinen Gummibällen in Form von Obst und Gemüse) und spielen mit den meditativen Klängen. Mit dem Monochord (Saiteninstrument), das auf der unteren Seite noch eine japanische Koto und eine indische Tampura hat, können die Kinder die zarten Töne dieses Instrumentes ausprobieren und sich in ihrer „Verletzlichkeit“ wahrnehmen. Vor allem bei Kindern, die sich zu schwach fühlen selbst zu spielen, kann ich mit diesem Klang die aktuelle Befindlichkeit spiegeln und durch die entspannende Wirkung der meditativen Töne, das „sich geborgen fühlen, sich wiegen lassen“, eine vertraute Atmosphäre schaffen.

Die Ressourcenstärkung der Kinder, die Erfahrung, dass sie trotz der Krankheit noch schöne Dinge tun können, sich klanglich ausdrücken und angenommen fühlen, hilft den Kindern aus der erlebten Isolation herauszukommen. Gerade bei den „Kleineren“, wo die sprachliche Auseinandersetzung nicht oder noch nicht möglich ist, kann das gemeinsame Musizieren die kommunikativen Prozesse fördern.

Wenn wir mit der Meerestrommel eine Klangreise spielen, stelle ich mir vor, dass ich ein Delphin bin und im Ozean schwimme. Das ist richtig schön.

M., 6 Jahre bei der Chemotherapie

Quatschlieder

Vor allem wenn wir gemeinsam singen, oder neue „Quatschlieder“ erfinden, wird die Kreativität und das Miteinander der Kinder angeregt. So ist z. B. ein Lieblingslied: “Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“…, wo es dann nicht schwer fällt, die Oma allen möglichen „Unsinn“ machen zu lassen. So können die Kinder ihrer Phantasie und Kreativität freien Lauf lassen, sich von dem „Schweren“ ablenken und einfach Spaß und Freude haben. Ich bekomme oft die Rückmeldung von den Eltern, dass gerade diese Momente der Leichtigkeit als Oase empfunden werden und das Schwere mal in den Hintergrund treten kann. Manchmal nehmen wir auch die gemeinsam improvisierte Musik auf, so dass die Kinder ihre eigene Musik auf CD noch einmal hören können und sie es vielleicht den Eltern oder Freunden vorspielen, was sie mit großem Stolz erfüllt.

Ich freue mich jedes Mal, wenn ich die Begeisterung der Kinder erlebe, wenn sie sich „einlassen“ und mir ihr Vertrauen schenken, auch oft mit ihren Eltern zusammen.

Bedanken möchte ich mich auch für die Unterstützung aller Kollegen auf Station, beim Psychosozialen Team und ganz besonders bei der Initiative Krebskranke Kinder, die meine Arbeit erst möglich macht.

Richard Löhr

Die Musiktherapie wird durch die Initiative ermöglicht.