GOOD BYE AND WELCOME, LISA!

40 Jahre Kinderonkologie – ein kurzer Blick zurück und ein langer nach vorn

Nach fast 41 Jahren Kinderonkologie Schwabing geht Lisa Stritzl-Goreczko, leitende Erzieherin, Ende des Jahres in den Ruhestand. Eine Kinderkrebsstation ohne Lisa ist für viele kaum vorstellbar.

Lisa, kannst du dir ein Leben ohne Station vorstellen?

Ja, das kann ich. Meine Zeit auf der Station war intensiv und unendlich wertvoll, aber jetzt freue ich mich auf einen neuen Lebensabschnitt mit neuen Möglichkeiten. Abgesehen davon spanne ich den Bogen ja weiter, denn durch meine jahrzehntelange Verbundenheit mit der Initiative und meine Vorstandsarbeit werde ich auch künftig mit der Station zu tun haben.

Du hast sehr viel Leid und Verzweiflung gesehen, wie hast du es geschafft, 40 Jahre lang durchzuhalten?

Es gab zu Beginn meiner Tätigkeit tatsächlich noch mehr Leid und Verzweiflung. Die Heilungschancen waren gering, die Therapien extrem schlechtverträglich, keine psychosoziale Betreuung, strikte Besuchszeiten. Aber gleichzeitig war die Atmosphäre familiär, herzlich und geprägt
von einer Aufbruchstimmung. Alle Mitarbeiter*innen bildeten ein belastbares Gerüst von Menschen, die gemeinsam die Familien in dieser schweren Zeit gestützt haben. Das ist bis heute so. Und es werden so viele Geschichten geschrieben.

Breznfrühstück
Lisa schafft Begegnungen auf der Station: das wöchentliche Brezn-Frühstück!

Auf der Station gibt es auch Freude und Lachen – wann hast du mal herzhaft gelacht?

Oh, ich lache jeden Tag. Lachen und Weinen gehören zusammen und Lachen hat etwas Befreiendes. Du kannst auf dieser Station nur arbeiten, wenn du bereit bist, den anderen ein herzhaftes Lachen zu schenken. Jeden Tag wird angelacht, miteinander und über sich selber gelacht.

Was wirst du ganz sicher vermissen und was ganz sicher nicht?

Ich werde ganz sicher das Team vermissen, ob Pflege oder das psychosoziale, dieses vertraute und kraftspendende Miteinander. Und ich werde es vermissen, zu sehen, wie die Familien ihren Weg gehen und bewältigen können.
Nicht notwendige Auseinandersetzungen, die nicht im Sinne der Familien sind, und Konflikte, die es natürlich auch gab, werde ich ganz sicher nicht vermissen.

Gibt es etwas, was du jüngeren Kolleg*innen mit auf dem Weg geben möchtest?

Meiner Nachfolgerin habe ich neulich gesagt: Ich habe den Teig geliefert und die, die nach mir kommen, können den Teig bearbeiten, würzen, formen, mit ihren Zutaten backen, so wie sie es für richtig halten.

Wie ruhig stellst du dir deinen „Ruhestand“ vor?

Ich wünsche mir, im Ruhestand auch Ruhepole und Wellness-Oasen zu finden, ob das ein gemütlicher Spaziergang, Lesen im Sessel oder Lisa auf dem Trampolin ist. Mir sind aber auch soziale Kontakte sehr, sehr wichtig, daher wird mein neuer Lebensabschnitt sicher nicht zu ruhig.
Als Ruheständler fühle ich mich gar nicht.

Worauf freust du dich ganz besonders?

Ich freu‘ mich ganz besonders darauf, Zeit zu haben und Zeit zu schenken, Zeit mit meinem Mann verbringen zu können, auszuschlafen, nicht mehr tun zu müssen, sondern zu wollen, den Tag frei gestalten zu können und meine Kontakte zu pflegen, die für mich sehr wertvoll und kraftspendend sind. Ich freu‘ mich Zeit für unseren Hund zu haben, der als neues Familienmitglied fest fürs nächste Jahr geplant ist. Und ich freu‘ mich, ganz spontan auf dem Viktualienmarkt mit meinem Mann Weisswürscht zu essen.

Lisa und Dieter Reiter
Lisa moderiert das Weihnachtskonzert mit Dieter Reiter und der Paul Daly Band

Wie sieht deine Familie deinen Ruhestand?

Mein Mann und meine Tochter freuen sich. Sie freuen sich, dass ich mehr Zeit haben werde, auch für sie, denn meine Arbeit hat oft viel Raum eingenommen.

Gibt es auch etwas, was dir Magengrummeln bereitet, wenn du an die nächste Zeit denkst?

Ja, ich weiß nicht, wie ich damit zurechtkomme, keinen fest vorgegebenen Tagesablauf mehr zu haben. Ich muss mir für meinen Alltag eine feste Struktur zulegen. Die muss aber auch mit der Struktur meines Mannes, der nun sein Büro im Haus eingerichtet hat, vereinbar sein. Du wirst weiter ehrenamtlich im Vorstand der Initiative arbeiten? Warum hast du dich dazu entschlossen? Ich bin ja quasi Geburtshelfer der Initiative und durch meine jahrzehntelange Arbeit auf der Station eng mit ihr verbunden. Ich möchte gerne weiterhin meine lang bestehenden Kontakte zu den Familien pflegen, Kraft spenden, meine Gedanken, Ideen und Humor einbringen. Ich möchte mit meiner unkonventionellen Art gerne weiterhin der Reißnagel der Initiative sein und manchmal eine gewisse Aufregung hineinbringen…
Die Arbeit macht mir nach wie vor Freude, trotz des ernsten Themas und immer wieder neuer Herausforderungen.

Lisa erhält Bundesverdienstkreuz
Lisa erhält 2015 das Bundesverdienstkreuz

Lisa in zehn Jahren – wo und wie würdest du dich da gerne sehen?

Vor allem wünsche ich mir, gesund und geistig fit zu sein. Ich seh‘ mich, wie ich mit meiner Familie und vielen Menschen Zeit verbringe, mit unserem Hund spazieren gehe, und vielleicht immer noch die ein oder andere Aufgabe für die Eltern und die Initiative übernehme, zum Beispiel würde ich gerne immer noch das Reisebüro für unser Eltern-Ferienhaus in Inzell sein.Liebe Lisa, wir freuen uns auf dich: Welcome im Ruhe- und im Vorstand!

Das Gespräch mit Lisa führte Angelika Andrae-Kiel