Kunsttherapie in der Kinderonkologie

Ressourcen stärken

Mein kunsttherapeutischer Ansatz ist vorwiegend ressourcenstärkend und rehabilitativ. Die Kunsttherapie ermöglicht den Kindern und Jugendlichen unter Verwendung verschiedener Materialien einen Ausdruck für sonst Unsagbares. Sorgen, Ängste, Wut, Trauer und Erlebnisse, von denen zu sprechen nicht möglich ist, können in Bildern und anderen Gestaltungen in einer geschützten Atmosphäre vermittelt und zum Ausdruck gebracht werden.

Tanja Mußgiller, Dipl. Kunsttherapeutin auf der Kinderkrebsstation: „Ohne das Engagement und die Finanzierung der „Initiative krebskranke Kinder München e.V.“ wäre das Angebot der Kunsttherapie undenkbar.“

Seit Mai 2010 arbeite ich zweimal die Woche als Kunsttherapeutin auf der onkologischen Station der Schwabinger Kinderklinik und seit Februar 2014 bin ich mit einer Teilzeitstelle fester Bestandteil des psychosozialen Teams.

Mein kunsttherapeutischer Ansatz ist vorwiegend ressourcenstärkend und rehabilitativ. Die Kunsttherapie ermöglicht den Kindern und Jugendlichen unter Verwendung verschiedener Materialien einen Ausdruck für sonst Unsagbares. Sorgen, Ängste, Wut, Trauer und Erlebnisse, von denen zu sprechen nicht möglich ist, können in Bildern und anderen Gestaltungen in einer geschützten Atmosphäre vermittelt und zum Ausdruck gebracht werden. Die Kunsttherapie sucht und „er“findet gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen Möglichkeiten der Stärkung des Selbstvertrauens und der Autonomie. Zudem bietet sie die Chance, Konfliktsituationen auf symbolischer Ebene zu bearbeiten und somit eigene Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Die Kinder und Jugendlichen erfahren durch die Kunsttherapie ein breites Spektrum an Handlungsmöglichkeiten, die für sie in dieser Krise stützend sein kann. So werden Drachenflügel aus Nierenschalen gestaltet, die in Schlachten Großes vollbringen, oder aus Gips eine „maßgeschneiderte“ Kriegerrüstung angefertigt.

Kunsttherapie in der Kinderonkologie dient in erster Linie dem Patienten selbst und keinen ästhetischen Ansprüchen. Es ist nicht wichtig, ob das Bild „schön“ ist, allein der Gestaltungsprozess des Kindes steht im Vordergrund. Das bedeutet nicht, dass in der Kunsttherapie keine ansehnlichen Bilder entstehen, ganz im Gegenteil. Lediglich der Umgang mit diesen ist anders, geschützter, da es gerade in Ausnahmesituationen wie die einer Krebserkrankung, eine therapeutisch gestützte sowie geschützte Begleitung erfordert.

Eine Erkrankung wie Krebs bringt nicht nur körperliche Beeinträchtigungen mit sich, sondern oftmals auch eine Sprachlosigkeit. Der Pinsel, die Hände und somit die Gestaltung dient hier als nonverbales Mittel der Kommunikation. Sprachliche Barrieren können über das kreative Tun überwunden werden. Durch die stark belastende Chemotherapie sind die Kinder und Jugendlichen sehr in ihrem autonomen Entscheidungsprozess eingeschränkt. In der Kunsttherapiestunde ist das Kind der „Boss“, das Kind entscheidet über das zu Gestaltende und dessen Verwendung. Zumeist arbeite ich im Einzelsetting. Jedoch kann es auch gut möglich sein, dass Eltern und Kinder zusammen gestalten oder mehrere Kinder gemeinsam. Die Arbeit auf der onkologischen Kinderstation erfordert viel Spontanität und Flexibilität. So kann es passieren, dass eine geplante Stunde aufgrund von wichtigen medizinischen Untersuchungen ausfallen muss. Wenn die Kinder und Jugendlichen aus gesundheitlichen Gründen das Zimmer nicht verlassen können, komme ich mit dem gewünschten Material ans Patientenbett.

Mobile Kunsttherapie

Ein weiteres Angebot neben der Arbeit auf der Station ist die „Mobile Kunsttherapie“. Diese bewährt sich bereits seit einigen Jahren und kann nun mit den dafür zur Verfügung stehenden Stunden weiter ausgebaut werden. Eine solche Begleitung zu Hause setzt natürlich ein gegenseitiges Vertrauen voraus, welches erst durch eine intensive Begleitung der Kinder in ihrem „Alltag“ auf der Station erarbeitet werden muss. Die kunsttherapeutische Begleitung im häuslichen Bereich besitzt im Gegensatz zum klinischen Alltag eine andere Qualität, Hier kann ich den Patienten in seinem „gesunden“ Umfeld erleben. Es ist eine sehr intensive und auch wertschätzende Arbeit, in der ich das Kind in seinem Leben außerhalb der Klinik erfahren darf. Einige Therapiepläne finden glücklicherweise über das tagesklinische Angebot statt, die Kinder müssen so nicht mehr wochenlang auf der Station bleiben. Der Einsatz der mobilen Kunsttherapie dient hier als Konstante, die beständig auch in dieser schweren Zeit Unterstützung bietet.

Die Kinder haben hier die Möglichkeit die Wände als Rahmen für ihre kreativen Werke/Gestaltungen zu nutzen und arbeiten weitgehend selbstständig. Bei einem Patienten und dessen Mutter entwickelte sich ein intensiver Gestaltungsprozess, der auch außerhalb ihrer üblichen Klinik Termine fortgeführt wurde. Sie kreierten eine farblich beeindruckende Sternengalaxie und setzten darauf eine „Gute Besserung“ – Rakete in Reliefform. Der Patient entdeckte für sich eine neue Ressource sich auszudrücken, erweiterte seine Erfahrungen im Umgang mit verschiedensten Materialien und großflächigem Arbeiten und erfuhr dabei eine Stärkung durch den damit verbundenen Erfolg.

Nicht nur in der Kunsttherapie sind die Kinder und Jugendlichen für mich Helden, sondern ganz besonders im Kampf gegen die Erkrankung und ihre mit sich bringenden Herausforderungen.

Tanja Mußgiller Dipl. Kunsttherapeutin